Freiheit braucht Räume. Unser Auftrag in einer herausgeforderten Welt.

Veröffentlicht am 14. Juni 2025 um 12:40

Was ist eigentlich der Auftrag eines christlichen Gästehauses?

Diese Frage begleitet mich immer wieder, gerade in Zeiten, in denen wir als Gesellschaft, als Kirche und als Einzelne vor großen Herausforderungen stehen.

Für mich ist klar: Ein christliches Gästehaus ist mehr als ein funktionaler Ort zum Schlafen, Tagen und Essen.

Es ist ein Raum der Begegnung, zwischen Menschen, aber auch zwischen Mensch und Gott. Unser tiefster Auftrag ist es, ein Stück Himmel auf Erden sichtbar zu machen. Einen Ort zu gestalten, an dem Menschen aufatmen können: körperlich, seelisch, geistlich.

Gleichzeitig zeigt ein Blick in die Welt: Solche Räume sind längst nicht überall selbstverständlich. Laut CIVICUS-Monitor leben nur etwa 3,5 Prozent der Weltbevölkerung in Ländern, in denen Meinungs- und Versammlungsfreiheit vollständig garantiert sind. Die Mehrheit, fast sieben Milliarden Menschen, lebt unter Bedingungen, in denen Zivilgesellschaft unterdrückt oder eingeschränkt wird. Rechtsstaatliche Institutionen werden geschwächt, Menschenrechtsverteidiger*innen bedroht, Medienfreiheit eingeschränkt.[1]

Als christliches Gästehaus stehen wir in dieser Welt. Nicht abseits davon. Unser Beitrag mag im Kleinen liegen und doch ist er bedeutsam: Wir schaffen Räume der Freiheit. Räume, in denen Menschen willkommen sind, so wie sie sind. Räume, in denen Respekt, Würde und Stille einen Platz haben. Räume, in denen Begegnung möglich wird, auch mit dem, was größer ist als wir selbst. Erfahrungen die Kinder außerhalb ihres gewohnten Milieus machen sind prägend und Teil der Persönlichkeitsentwicklung.[2]  

Manche unserer Gäste bringen viel mit: Erschöpfung, Fragen, Unsicherheit. Nicht nur im Gepäck, sondern im Herzen. Unser Auftrag ist es, darauf einfühlsam zu antworten, mit offenen Türen, offenen Herzen und einer Einladung, dass Gott hier erfahrbar werden darf. Ohne Zwang. Ohne fromme Überwältigung. Sondern durch liebevollen Alltag: ein gutes Gespräch beim Frühstück, ein freundliches Lächeln an der Rezeption, ein Moment des Friedens im Garten.

In einer Welt, in der Freiheit bedroht wird, dürfen und sollen wir Räume schaffen, in denen Freiheit wächst. Wo Menschen sich sicher fühlen. Wo sie innerlich auftanken können. Wo sie spüren: Ich bin gesehen. Ich bin gemeint. Ich bin geliebt.

Diesen Rahmen gestalten wir nicht perfekt, aber mit Hingabe. Und im Vertrauen: Wir säen. Und Gott lässt wachsen, was er will.

 

Fazit: Der Auftrag eines christlichen Gästehauses ist es, einen Raum zu schaffen, in dem Menschen nicht nur zur Ruhe kommen und sich wohlfühlen, sondern in dem ihnen durch liebevolle Gastfreundschaft und echte Begegnung auch Gottes Gegenwart erfahrbar wird.

 

Autor: Jens-Martin Krieg

 

[1] Vgl. https://www.brot-fuer-die-welt.de/fileadmin/mediapool/Atlas_der_Zivilgesellschaft/2025/Atlas-der-Zivilgesellschaft-2025_Online.pdf 

[2] Vgl. Maschwitz, Rüdiger. (2010). Nutella, müsli und "laudato si". In C. Schulz, E. Hauchildt, & E. Kohler, Milieus praktisch II - Konkretionen für helfendes Handeln in Kirche und Diakonie (S. 119-133). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. S. 122.

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